Nachhaltigkeit konkret: Was Städte und Infrastrukturbauherren künftig von Planungsbüros erwarten

von Patrick Stumpf | Dienstag, 20. Mai 2025

Der Begriff „Nachhaltigkeit“ ist im Bauwesen allgegenwärtig – doch was bedeutet er eigentlich im konkreten Projektalltag? Für viele Planungsbüros stellt sich zunehmend nicht mehr die Frage, ob Nachhaltigkeit relevant ist, sondern wo und wie sie in Ausschreibungen, Planungsprozessen und Nachweisen berücksichtigt werden muss.

Denn: Immer mehr Städte, Kommunen und Infrastrukturträger wie die DB, Autobahn GmbH und DEGES definieren klare Anforderungen – und machen Nachhaltigkeit zur verpflichtenden Grundlage ihrer Projekte. 

In diesem Beitrag fassen wir zusammen, welche konkreten Anwendungsfälle sich daraus ergeben – und wie sich Planungsbüros jetzt darauf einstellen können. 

1. Digitale Stoffstromerfassung & Materialtransparenz 

Bei öffentlichen Neubauten und Infrastrukturbauten wird zunehmend gefordert, sämtliche Baustoffe hinsichtlich Herkunft, Menge, Recyclingfähigkeit und CO₂-Bilanz zu dokumentieren. 
Städte wie München, Heidelberg oder Leipzig setzen hier bereits auf digitale Stoffstrombilanzen und Materialpässe – oft direkt in Verbindung mit BIM-Modellen. 

Auch Infrastrukturbetreiber wie die DEGES verlangen künftig standardisierte Nachweise zur Wiederverwertung von Ausbauasphalt, Beton oder Bodenmaterial. 

2. Projektbezogene CO₂-Bilanzierung 

Die Erstellung einer CO₂-Bilanz pro Projekt – inklusive Bau, Materialherstellung, Transport und Betrieb – wird zur Pflicht. 
Bei der Deutschen Bahn und der Autobahn GmbH wird die CO₂-Bilanzierung teilweise bereits als Zuschlagskriterium gewertet („CO₂-Kostenmodell“). Auch viele Städte verlangen für Neubauprojekte Lebenszyklusbewertungen (LCA), um Förderkriterien zu erfüllen. Planungsbüros müssen daher in der Lage sein, belastbare CO₂-Kennzahlen zu ermitteln und zu dokumentieren. 

3. Kreislaufwirtschaft & Rückbaubarkeit 

Neben Recyclingquoten rückt das Thema Wiederverwendung stärker in den Fokus. 
In Quartieren wie der Bahnstadt in Heidelberg oder dem Spinelli-Areal in Mannheim wird bereits gefordert, Bauteile sortenrein trennbar und rückbaubar zu planen („Design for Disassembly“). 
Auch für Infrastrukturmaßnahmen gilt zunehmend: Baustoffe sollen nicht entsorgt, sondern wiederverwertet werden – mit digitalen Nachweisen. 

4. Nachhaltige Baustellenlogistik 

In Städten wie Frankfurt oder Dortmund wird die CO₂-Belastung durch die Baustellenlogistik aktiv bewertet – etwa durch E-Maschinen, gebündelte Anlieferung oder alternative Transportmittel (z. B. Schiff, Bahn). Im Infrastrukturbereich (z. B. bei der Autobahn GmbH) müssen Auftragnehmer mittlerweile auch Logistikkonzepte mit CO₂-Optimierung vorlegen. Für Planungsbüros bedeutet das: Logistikfragen müssen frühzeitig mitgedacht und digital planbar gemacht werden. 

5. Digitale Nachweisführung und BIM-Integration 

Ob CO₂-Bilanz, Recyclingquote oder Lebenszykluskosten: Die digitale Dokumentation von Nachhaltigkeitskennzahlen wird Standard. Viele Städte – etwa Leipzig, Frankfurt oder Dresden – erwarten heute bereits, dass alle relevanten Daten in BIM-Modelle oder digitale Zwillinge integriert und strukturiert nachgewiesen werden können. Auch die DEGES koppelt BIM und GIS, um Umweltwirkungen im Planungsprozess besser bewerten zu können. 

6. Neue Vergabekriterien & ESG-Standards 

Nachhaltigkeit schlägt zunehmend auch auf die Vergabepraxis durch. Nicht mehr allein der Preis entscheidet – auch CO₂-Wirkung, Ressourceneffizienz, Energieverbrauch und Recyclinganteile werden in Bewertungsmatrizen berücksichtigt. Gleichzeitig wächst der Druck, EU-Taxonomie-konforme Daten zu liefern – etwa über das „Do No Significant Harm“-Prinzip. 

Fazit: Anforderungen werden konkreter – und prüfbarer 

Nachhaltigkeit ist nicht mehr nur ein strategisches Ziel, sondern findet sich heute in konkreten, überprüfbaren Anforderungen in Planungsprozessen, Ausschreibungen und Bauausführung wieder. 

Für Planungsbüros heißt das: 

  • CO₂-Bilanzen, Stoffstromnachweise und Lebenszyklusdaten müssen methodisch korrekt ermittelt und digital dokumentiert werden. 
     
  • BIM und GIS sind nicht nur Planungstools, sondern auch Nachweissysteme
     
  • Wer Materialkreisläufe und emissionsarme Lösungen integrieren kann, verbessert seine Chancen auf Zuschlag und Förderung deutlich. 

Wer diese Anforderungen frühzeitig in die eigene Projektpraxis integriert, bleibt wettbewerbsfähig – und erfüllt gleichzeitig die Erwartungen von Städten, Trägern und Fördergebern. 

 

Mehr dazu? 

Wir bei Mensch und Maschine unterstützen Sie auf dem Weg zur nachhaltigen und digitalen Planungspraxis – mit Technologie, Beratung und Expertise. Sprechen Sie uns an – oder besuchen Sie unsere Weiterbildungsangebote rund um BIM, LCA, Materialpässe und CO₂-Nachweise.

Kontaktieren Sie mich gern unter patrick.stumpf@mum.de.

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