Mensch, Maschine, Modell: Wie KI und MCP unsere Planung neu definieren

von Patrick Stumpf | Montag, 16. Juni 2025

Die Digitalisierung hat die Baubranche bereits tiefgreifend verändert. In den vergangenen Jahren haben sich Workflows, Datenstrukturen und die Art der Zusammenarbeit rasant gewandelt. Doch mit der Einführung des Model Context Protocols (MCP) und der Integration von KI-Modellen wie Claude in Tools wie Autodesk Revit beginnt eine neue Phase: die der intelligenten, kontextsensitiven Planung.

Was bislang vor allem datengetrieben und strukturiert war, wird nun ergänzt durch Systeme, die Zusammenhänge verstehen, Muster erkennen und Entscheidungen vorbereiten können. Diese Entwicklung bietet enormes Potenzial – birgt aber auch die Herausforderung, bestehende Standards zu überdenken und neue Grundlagen zu schaffen.
In diesem Beitrag möchte ich beleuchten, wohin diese Reise führen kann, wie sich unsere Arbeitsweise dadurch verändern könnte – und welche Schritte wir heute schon unternehmen sollten, um morgen davon zu profitieren.

Was ist das Model Context Protocol (MCP)?

Im Zuge der zunehmenden Integration von Künstlicher Intelligenz in bestehende Softwarelösungen wird eines schnell klar: Sprachmodelle wie Claude benötigen eine strukturierte Möglichkeit, mit Fachanwendungen wie Autodesk Revit oder cloudbasierten Plattformen zu kommunizieren – und zwar so, dass sie Daten nicht nur konsumieren, sondern auch sicher verarbeiten, manipulieren und in bestehenden Kontexten verstehen können.

Genau hier setzt das Model Context Protocol (MCP) an. Es handelt sich dabei um einen offenen Standard, der von Anthropic speziell für diese Art der Kommunikation zwischen KI-Modellen und Softwareumgebungen entwickelt wurde. Im Zentrum steht der sogenannte MCP-Server – eine Art intelligenter Vermittler. Er ist dafür zuständig, eingehende Anfragen aus dem Sprachmodell (dem LLM) aufzunehmen, sie in strukturierte API-Aufrufe zu übersetzen und anschließend zielgerichtet an angeschlossene Systeme weiterzuleiten.

Dabei funktioniert MCP nicht wie eine klassische Programmierschnittstelle, die hauptsächlich von Entwicklern genutzt wird. Stattdessen wird eine neue Interaktionsebene geschaffen: Eine Ebene, auf der Sprachmodelle komplexe Zusammenhänge in einem Fachmodell erkennen und interpretieren können – so, als würden sie mit einem digitalen Assistenten sprechen, der selbst Fachwissen besitzt.

In der Praxis bedeutet das: Ein Nutzer formuliert eine Anweisung in natürlicher Sprache – etwa „Zeige mir alle tragenden Innenwände im zweiten Obergeschoss“ – und Claude interpretiert diese. Der MCP-Server leitet den entsprechenden Befehl an Revit weiter, erhält die Daten und bereitet sie für die Rückgabe an das Sprachmodell auf. Die Antwort, die der Nutzer erhält, ist dann wiederum sprachlich verständlich, aber technisch präzise.

Die folgende Darstellung zeigt die grundsätzliche Architektur eines solchen Systems:

 
Abbildung: Architektur eines MCP-gestützten Workflows.

Der MCP-Server dient als vermittelnde Schicht zwischen einem Large Language Model (z. B. Claude AI) und verschiedenen angebundenen Systemen wie Autodesk Revit, der Construction Cloud oder weiteren Fachanwendungen. Eingaben des Nutzers werden über das LLM interpretiert und als strukturierte Aktionen an die Systeme weitergegeben.

Integration von Claude AI mit Autodesk Revit

Die technische Vision, die das Model Context Protocol eröffnet, wird durch die praktische Verbindung mit Autodesk Revit greifbar. Was früher als Zukunftsmusik galt – nämlich ein digitales Modell mit Hilfe natürlicher Sprache zu befragen, zu verändern oder sogar zu erweitern – ist heute Realität. Möglich macht das die direkte Integration von Claude AI in Revit-gestützte Planungsumgebungen, vermittelt durch einen eigens dafür eingerichteten MCP-Server.

Im Alltag bedeutet das: Claude ist in der Lage, mit einem Revit-Modell zu interagieren, als wäre es ein Kollege im Planungsteam. Die Sprach-KI kann Anfragen interpretieren, technische Informationen extrahieren, Bauteile lokalisieren, Parameter ändern oder neue Modellinformationen einfügen – und das alles, ohne dass der Nutzer komplexe Menüs bedienen oder Programmierkenntnisse haben muss. Die Bedienung erfolgt intuitiv über Spracheingabe oder über textbasierte Prompts.

Ein typisches Beispiel: Ein Planer möchte wissen, wie viele Innenwände im aktuellen Modell die Brandschutzklasse F90 erfüllen. Statt mühsam Filter zu setzen oder Zeit mit Sichtprüfungen zu verbringen, reicht eine einfache Frage:
„Welche Innenwände entsprechen der Brandschutzklasse F90?“

Claude leitet die Anfrage über den MCP-Server an Revit weiter, wertet die Daten aus und liefert eine präzise Antwort – auf Wunsch auch inklusive einer farblichen Markierung im Modell oder tabellarischer Aufbereitung.

Dabei endet die Interaktion nicht bei einfachen Abfragen. Auch komplexere Vorgänge wie das Erstellen neuer Räume, das Modifizieren von Eigenschaften oder sogar das Starten modellübergreifender Prozesse (z. B. Datenexport in die Autodesk Construction Cloud) können durch die KI gesteuert werden. Die Kommunikation läuft dabei stets über definierte Schnittstellen, die nicht nur nachvollziehbar, sondern auch vollständig kontrollierbar bleiben. Das bedeutet: Der Mensch gibt vor, was geschehen soll – die KI führt aus, beobachtbar und transparent.

Diese Verbindung aus natürlicher Sprache, intelligenter Interpretation und technischer Ausführung markiert einen tiefgreifenden Wandel in der Art, wie wir mit Planungswerkzeugen umgehen. Revit wird dadurch nicht nur mächtiger – es wird verständlicher, zugänglicher und letztlich menschlicher in der Interaktion.
 

 

Einfluss auf bestehende Standards und Arbeitsweisen

Die Einführung KI-gestützter Systeme wie Claude, die über Protokolle wie MCP mit Fachsoftware kommunizieren, ist nicht einfach eine Erweiterung des Werkzeugkastens. Es handelt sich um einen strukturellen Wandel, der grundlegende Fragen aufwirft – etwa wie wir Daten organisieren, speichern und interpretieren.

Denn sobald eine KI in der Lage ist, Inhalte aus einem digitalen Modell zu analysieren und darauf basierend Prozesse eigenständig anzustoßen, steigen die Anforderungen an die Qualität der zugrunde liegenden Daten deutlich. Informationen müssen konsistent, nachvollziehbar und maschinenlesbar vorliegen. Es reicht nicht mehr, sie „irgendwo“ im System zu verankern. Ihre Bedeutung – zum Beispiel welche Funktion ein Bauteil erfüllt, welche Parameterpflichten bestehen oder welche Plausibilitätsregeln gelten – muss formal abbildbar sein.

Für Unternehmen bedeutet das: Sie müssen ihre bestehenden Standards und Datenmodelle neu denken. Welche Objekte sollen wie klassifiziert werden? Welche Beziehungen und Regeln müssen definiert sein, damit ein intelligentes System sie erkennen und darauf reagieren kann? Wie gelingt es, unternehmensspezifisches Wissen so zu modellieren, dass es für eine KI nutzbar wird?

In diesem Prozess treten häufig Schwächen in bestehenden Strukturen zutage – etwa uneinheitliche Benennungen, inkonsistente Klassifikationen oder individuelle Workarounds. Die Zusammenarbeit mit einem KI-System wirkt hier wie ein Spiegel: Sie zeigt auf, wo Prozesse und Daten unsauber sind – und fordert eine Präzision, die auf den ersten Blick herausfordernd wirkt, langfristig aber enorme Effizienzgewinne verspricht.

Vereinfachung der Softwareanwendung durch natürliche Sprache

Parallel zu dieser strukturellen Veränderung verändert sich auch die Art und Weise, wie wir Software bedienen. Komplexe Nutzeroberflächen, verschachtelte Menüs und hohe Einstiegshürden sind vielerorts Realität – insbesondere bei Systemen, die tief in fachliche oder technische Prozesse eingebettet sind.

Sprachmodelle wie Claude brechen mit diesem Paradigma. Sie ermöglichen es, mit Software auf eine natürlichere, intuitivere Weise zu interagieren. Durch den Einsatz von natürlicher Sprache – sei es per Tastatur oder Spracheingabe – werden Hürden abgebaut. Nutzer müssen nicht mehr wissen, wo sich eine bestimmte Funktion im Menü verbirgt oder welcher Befehl welche Parameter benötigt. Stattdessen genügt ein klar formulierter Wunsch, den die KI interpretiert, übersetzt und sicher umsetzt.

Das erleichtert nicht nur die Einarbeitung neuer Mitarbeiter:innen, sondern eröffnet auch neue Formen der Zusammenarbeit: Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund können auf dieselbe Software zugreifen, Informationen abrufen, Aufgaben auslösen – ohne umfassende Schulung, allein durch Sprache.

Auch für erfahrene Anwender:innen entsteht ein spürbarer Mehrwert: weniger Klicks, weniger Kontextwechsel, weniger Bedienlogik – dafür mehr Fokus auf Inhalte, Entscheidungen und Kommunikation. Die Software wird nicht mehr als Werkzeug erlebt, das man erst beherrschen muss, sondern als Partner, der versteht, was man will.

Ausblick: Wohin führt diese Entwicklung?

Die Verbindung von KI-Systemen wie Claude mit Fachsoftware über Protokolle wie MCP markiert den Beginn eines grundlegenden Wandels: Statt Anwendungen über komplexe Benutzeroberflächen zu bedienen, kommunizieren wir künftig über Sprache – intuitiv, direkt und kontextbezogen.

Diese Entwicklung wird nicht nur Abläufe beschleunigen, sondern auch Prozesse verändern. Informationen aus unterschiedlichen Systemen lassen sich künftig intelligent verknüpfen und in Echtzeit verfügbar machen. Routineaufgaben, Auswertungen und Modellanalysen können automatisiert werden – die Rolle der Planenden wird sich stärker auf Entscheidungen, Kreativität und Kommunikation verlagern.

Damit das gelingt, müssen Daten klar strukturiert, Modelle konsistent und Prozesse nachvollziehbar sein. Unternehmen, die heute beginnen, diese Voraussetzungen zu schaffen, machen sich fit für eine neue Generation der Zusammenarbeit: softwaregestützt, KI-begleitet und vor allem menschenzentriert.
 

 
Abbildung: Aufgabenverteilung durch KI-gesteuerte Agentenarchitektur

Die Abbildung zeigt, wie sich durch den Einsatz von KI-Systemen neue, arbeitsteilige Interaktionen entwickeln können. Der Planer tritt dabei nicht mehr mit einzelnen Tools in direkter Interaktion, sondern kommuniziert mit einem zentralen „Manager-Agenten“, der seine Anliegen interpretiert, strukturiert und an spezialisierte Subagenten weitergibt – etwa für die Modellbearbeitung, Prüfung oder Planung.

Diese modulare Architektur eröffnet neue Möglichkeiten der Automatisierung und Parallelisierung: Aufgaben werden auf intelligente Weise delegiert, Ergebnisse zielgerichtet zurückgeführt. Die Rolle des Planenden wandelt sich dadurch – von der Bedienung einzelner Funktionen hin zur Steuerung ganzer Prozessketten.

Voraussetzungen und Fazit: Der Weg in die nächste Arbeitsgeneration

Um das Potenzial von KI-gestützten Softwaresystemen wie Claude in Kombination mit dem MCP-Protokoll voll auszuschöpfen, braucht es mehr als nur technische Integration. Es braucht einen Kulturwandel im Umgang mit Daten, Prozessen und Standards. Unternehmen, die diese Technologien sinnvoll nutzen möchten, sollten sich gezielt vorbereiten.

Ein erster Schritt besteht darin, bestehende Datenstrukturen zu überprüfen: Sind die Informationen in unseren Modellen konsistent, vollständig und nachvollziehbar? Welche Standards nutzen wir – und reichen diese aus, damit ein Sprachmodell die Inhalte zuverlässig interpretieren kann?

Parallel dazu braucht es eine bewusste Entscheidung, Prozesse zu hinterfragen und offen für neue Interaktionen zu sein. Die Einführung eines MCP-Servers ist dabei nicht nur eine technische Maßnahme, sondern ein organisatorischer Meilenstein. Schulungen, klare Verantwortlichkeiten und ein Verständnis für den Nutzen im Alltag sind entscheidend.
Der Blick nach vorne zeigt: Die Digitalisierung entwickelt sich weiter – weg von der rein funktionalen Automatisierung hin zu einer echten Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine. Wer heute beginnt, Grundlagen zu legen, wird morgen nicht nur effizienter arbeiten, sondern auch flexibler, transparenter und kollaborativer. Der Wandel ist nicht aufzuhalten – aber wir können ihn gestalten.

So viel Potenzial diese Technologie auch birgt – zur Realität gehört ebenso, dass sie sich derzeit noch im frühen Entwicklungsstadium befindet. Die Systeme sind heute noch nicht für produktive Umgebungen ausgelegt: Es gibt funktionale Einschränkungen, Instabilitäten und unausgereifte Schnittstellen, die den Einsatz im Tagesgeschäft erschweren.
Doch genau deshalb ist jetzt der richtige Zeitpunkt, sich damit zu befassen – um Erfahrungen zu sammeln, die eigenen Anforderungen zu schärfen und den Wandel aktiv mitzugestalten.

Sie möchten den nächsten Schritt gehen?

Wir bei Mensch und Maschine unterstützen Sie dabei, den digitalen Wandel aktiv zu gestalten. Ob es um die Einführung eines MCP-Servers, die Integration von KI-gestützten Prozessen oder die Weiterentwicklung Ihrer Standards geht – wir bringen Technologie, Praxis und Beratung zusammen.

Gemeinsam analysieren wir Ihre bestehende Systemlandschaft, identifizieren Potenziale für Automatisierung und strukturierte Datennutzung und begleiten Sie bei der Umsetzung – technisch fundiert, praxisnah und mit dem Blick für Ihre Ziele.
Lassen Sie uns darüber sprechen, wie Ihre digitale Zukunft aussehen kann.
Wir freuen uns auf den Austausch!

Kontaktieren Sie uns gern unter patrick.stumpf@mum.de oder alexander.schleicher@mum.de!

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