Warum zwei CDEs besser sind als eines – Butter bei die Fische (Teil 2)

von Frank Markus | Dienstag, 29. August 2023

Leider sind seit dem ersten Blog „Butter bei die Fische“ zum Thema des digitalen Zwillings schon wieder Monate vergangen – es war einfach zu viel los und die Entwicklung der Projekte rund um digitale Zwillinge bei unseren Kunden sind hochdynamisch. Aber es hatte auch etwas Gutes: Ich habe wieder etwas gelernt, was einen großen Erkenntnisschub in unseren Projekten gebracht hat. Aus diesem guten Grund greife ich das Thema CDE, also Common Data Environment, nochmal auf. Meine Kollegen/Kolleginnen und ich haben zwar schon das ein oder andere Mal darüber berichtet und auch die Notwendigkeit einer CDE erläutert, aber hier hat die Erfahrung gezeigt: Wir brauchen zwei CDEs!

Was war noch mal ein CDE?

Ein Common Data Environment (CDE) ist eine digitale Plattform oder ein System, das in der Regel in Bau- und Ingenieurprojekten verwendet wird, um Daten zu sammeln, zu organisieren, zu teilen und zu verwalten. Daher finden wir den Begriff im Umfeld von BIM Projekten als zwingenden Baustein. Es handelt sich um eine zentrale, gemeinsame Datenumgebung, die es den verschiedenen Projektbeteiligten ermöglicht, auf aktuelle und genaue Informationen zuzugreifen und diese effizient zu nutzen.

CDEs werden oft in Bauprojekten, Architekturprojekten, Infrastrukturprojekten und anderen, eher komplexen Projekten eingesetzt. Also in „durchgängigen digitalen Zwillingen“, die vor allem in der Betriebsphase ihren größten Nutzen haben. In beschreibenden Zwillingen (descriptive twins) wäre das Thema wohl etwas übertrieben. Und ob man eine CDE für die höherwertigen „informative“ oder „predictive“ Twin einsetzt, muss im Einzelfall entschieden werden – dafür gibt es unsere Berater, die das als Experten beurteilen können.

Der Nutzen eines Common Data Environment liegt in mehreren Aspekten:

  1. Zentrale Datenquelle: Ein CDE dient als einzige Quelle der Wahrheit für Projektdaten. Alle Beteiligten greifen auf dieselben Daten zu, was Verwirrung durch unterschiedliche Versionen oder nicht synchronisierte Informationen verhindert.

  2. Effiziente Zusammenarbeit: Durch den Zugriff auf ein gemeinsames System können alle Projektbeteiligten effizienter zusammenarbeiten. Änderungen, Aktualisierungen und Kommentare können in Echtzeit geteilt werden.

  3. Bessere Kommunikation: Die Kommunikation zwischen verschiedenen Teams und Stakeholdern wird verbessert, da alle auf denselben Informationen basieren. Das verringert das Risiko von Missverständnissen und Fehlinterpretationen.

  4. Zeit- und Kostenersparnis: Da alle Beteiligten Zugriff auf aktuelle Daten haben, können Entscheidungen schneller getroffen werden. Dies kann zu Zeit- und Kostenersparnissen im Projektverlauf führen.

  5. Dokumentation und Verlauf: Ein CDE speichert den Verlauf von Datenänderungen und Dokumenten. Dies ermöglicht eine genaue Nachverfolgung von Entscheidungen, Änderungen und Entwicklungen im Laufe des Projekts.

  6. Risikomanagement: Ein gut verwaltetes CDE unterstützt das Risikomanagement, da es eine genaue Erfassung von Projektstatus, Änderungen und Entwicklungen ermöglicht. Dies ist besonders wichtig in komplexen Projekten, in denen Risiken minimiert und kontrolliert werden müssen.

  7. Datenintegrität und -sicherheit: Sicherheitsmechanismen können via CDE implementiert werden, um sicherzustellen, dass die Datenintegrität gewahrt bleibt und der Zugriff auf autorisierte Benutzer beschränkt ist.

  8. Nachhaltigkeit und Wartung: In späteren Phasen, wie Wartung und Betrieb, kann das CDE als Referenzquelle für Informationen über das Projekt dienen, was die Nachhaltigkeit und Wartung des Gebäudes oder der Infrastruktur deutlich erleichtert.

Eine CDE ermöglicht also eine bessere Koordination, Kommunikation und Zusammenarbeit in komplexen Projekten, was wiederum zu einer effizienteren Durchführung, besseren Entscheidungsfindung und möglicherweise niedrigeren Kosten führt. In der Praxis spricht man auch von einem single source of truth – also einer (1) Quelle, die alle Daten des Projekts vorhält.  


Und genau dort liegt nun nach weiteren Erfahrungen der große Erkenntnisgewinn. Es hat sich als sinnvoll erwiesen zwei CDEs aufzubauen: Eine CDE für das Planen und virtuellen Bauens des digitalen Zwillings und eine für den anschließenden Betrieb. Zwischen diesen beiden CDEs findet beim Übergang der Phasen ineinander auch das Hand-Over statt.


Wie kommen die Daten von der einen CDE (Planen & Bauen) in die andere (Betrieb)?

Hier liegt der Erfolgsschlüssel in der Kommunikation zwischen Betrieb und Planern: Wenn bereits vom Betrieb her „gedacht“ wird, ist die Übergabe der Daten nach dem „virtuellen“ und tatsächlichem Bauen umso einfacher und verlustfreier. Daher sollten Experten des Betreibers/Eigentümers (Owners & Operators) des Projekts bereits von Anfang an mit in die Planung einbezogen werden. Das ist nichts Neues, wird aber leider immer wieder falsch gemacht. Die Optimierung der Datenübergabe von Planern an Betreiber in Infrastrukturprojekten ist von entscheidender Bedeutung, um sicherzustellen, dass wichtige Informationen nahtlos übertragen werden und ein reibungsloser Übergang von der Bauphase zur Betriebsphase ermöglicht wird. 

Jetzt mal Butter bei die Fische – was muss getan werden?

Im Folgenden sind die wichtigsten Schritte und Empfehlungen umrissen, um diese Datenübergabe zu optimieren und von der „Bauen“-CDE auf die „Betreiber“-CDE zu kommen:

  1. Festlegung klarer Anforderungen: Schon zu Beginn des Projekts sollten klare Anforderungen für die Datenübergabe zwischen den Planern und Betreibern festgelegt werden. Diese sollten die Art der benötigten Daten, das Dateiformat, die Struktur und den Zeitpunkt der Übergabe umfassen. Stichwort AIA, siehe untenstehende Grafik.

  2. Verwendung eines gemeinsamen Datenformats: Die Verwendung eines standardisierten Datenformats oder Austauschformats (wie z.B. IFC für BIM-Projekte) erleichtert die Interoperabilität zwischen den verschiedenen Softwaresystemen, die von Planern und Betreibern genutzt werden. Wir empfehlen offene Datenbankstrukturen – allein schon wegen der enormen Datenmenge. Proprietäre Dateiformate, auch Standards, wie DWG oder ähnlich verbreite Formate müssen vermieden werden.

  3. Integration von BIM, CAFM und ERP: Building Information Modeling (BIM) kann dabei helfen, detaillierte und gut strukturierte digitale Zwillinge zu erstellen, die auch für den Betrieb wertvoll sind. Die Integration von Computer-Aided Facility Management (CAFM)-Systemen, Anlagenbau Systeme oder ERP-Systemen ermöglicht eine nahtlose Datenübertragung zwischen Planung und Betrieb. Auch ein geeignetes EDMS ist sinnvoll für alle historischen Daten und Dokumente. (Neuere Dokumente stehen alle in der CDE 😊)

  4. Datenstruktur und Metadaten: Die erstellten Daten sollten gut strukturiert sein, um einen einfachen Zugriff und eine sinnvolle Nutzung zu gewährleisten. Metadaten (z.B. Beschreibungen, Eigenschaften, Zuordnungen) sollten ebenfalls integriert werden, um die Dateninterpretation zu erleichtern. Auch hier sind Datenbankmanagementsysteme (DBMS) die optimale Wahl.

  5. Kontinuierlicher Austausch: Statt auf die letzte Phase des Projekts zu warten, sollte der Austausch von Daten und Informationen zwischen Planern und Betreibern kontinuierlich während des gesamten Projekts erfolgen. Dies hilft, Missverständnisse frühzeitig zu identifizieren und Korrekturen vorzunehmen.

  6. Übergabeprozess definieren: Ein klar definierter Übergabeprozess (Hand-over) sollte erstellt werden, der beschreibt, welche Daten, Dokumente und Informationen zu welchem Zeitpunkt und in welcher Form übergeben werden sollen. Und zwar vor der ersten Planung.

  7. Schulung der Betreiber: Betreiber sollten rechtzeitig geschult werden, wie sie die übergebenen Daten effektiv nutzen können. Dies kann die reibungslose Übernahme der Anlagen in den Betrieb erleichtern.

  8. Dokumentation und Verlauf: Sowohl Planer als auch Betreiber sollten sämtliche Änderungen, Entscheidungen und Informationen dokumentieren. Dies ermöglicht eine genaue Nachverfolgung der Entwicklungen.

  9. Kommunikation: Eine offene und transparente Kommunikation zwischen Planern und Betreibern ist entscheidend. Regelmäßige Treffen oder Besprechungen können dazu beitragen, potenzielle Probleme frühzeitig zu lösen.

  10. Technologieunterstützung: Die Verwendung von spezialisierten Softwarelösungen, die den Datenfluss und die Übergabe erleichtern, kann sehr hilfreich sein.

Durch eine sorgfältige Planung, klare Absprachen und die Nutzung geeigneter Technologien können auf diese Weise die Datenübergabe und der Übergang von der Planungs- zur Betriebsphase in Infrastrukturprojekten optimiert und erleichtert werden.

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